Freitag, 8. Mai 2009

Committment?!

Beheb Jalqamus. Jalqamus jemil. Beheb chai bedun sucar. Bidi a naum. Ana la urd, la achi. Anti immha siti binti? Thalathi ibn? Losra kabira.
Das ist mehr oder weniger die Standard Konversation, die ich in den letzten 4 Wochen mit den Dorfbewohnern gepflegt habe. Bedeutet: Ich mag Jalqamus. Jalqamus schön. Ich mag Tee ohne Zucker. Ich will schlafen gehen. Ich nein Schwester, nein Bruder. Du Mutter sechs Tochter? Drei Sohn? Große Familie.
Inzwischen weiß ich, warum ich meistens bei der gleichen Familie bin: weil da jemand ist, der Englisch spricht. Die Al Haq Familie hat uns alle mehr oder weniger adoptiert, wir müssen möglichst jeden Abend kommen und Tee und Kaffee trinken, mit oder ohne Zucker. Jeden Freitag sind wir zum Essen eingeladen und die Frauen kochen wirklich gut.

Inwieweit ich unser Projekt hier als Erfolg betrachten will weiß ich wirklich nicht zu sagen. Wir haben uns regelmäßig mit der Frauengruppe getroffen, eine Jugendgruppe etabliert und die Männergruppe hat aufgehört zu existieren nachdem sie begriffen haben, dass wir ihnen kein Geld geben können. Es war schwer, diesen Gedanken aus den Köpfen der Leute zu vertreiben: “wir brauchen Geld aus dem Ausland, sonst können wir hier gar nichts machen. Und wenn wir doch etwas beginnen, dann kommen die Israelis am nächsten Tag und zerstören es.”Auf dieser Grundlage lässt sich nicht arbeiten, denn wir haben weder Geld, noch können wir die Israelis davon abhalten mit Jeeps über frischgesäte Felder zu fahren. Was sie inzwischen nich mehr tun, das war die Militärpolitik von vor 10 Jahren. Jetzt fliegen Kampfjets so tief über das Dorf, dass alle Kinder schnell zu ihrer Mutter rennen. Da kann man wirklich nur den Kopf schütteln.
Jedenfalls: nach 2 Wochen hatten unsere Frauen verstanden, dass wir nicht vorhaben mit ihnen ein Projekt zu entwickeln, um dann Investoren dafür zu suchen. Wir haben statt dessen mit ihnen einen Plan für eine Hühnerfarm, Tomatentreibhaus und “project of sheep” zu Papier gebracht. Ich sage “zu Papier gebracht” und nicht “entwickelt”, weil das Dinge sind, die die Frauen schon vorher bereits einmal durchgeführt haben. Unsere Absicht war, ihnen Wege zu zeigen, dieses Wissen aufzuzeichnen und beim nächsten Mal den gleichen Weg zu nutzen, um ein anderes Projekt zu starten. Inshaallah. Wir werden ihnen die Fragebögen geben, die wir mit ihnen ausgefüllt haben, so dass sie sie beliebig mit anderem Inhalt füllen können. Ich bezweifle arg, dass sie das tun und ich denke nicht, dass dies der Erfolg unseres Projektes ist. Wenn es überhaupt einen hat, dann einfach den, dass wir hier waren. Vielleicht haben wir manchen Leuten Hoffnung gebracht, wir haben ihnen Aufmerksamkeit geschenkt, in gewisser Weise haben wir ihnen zugehört, wenn auch nicht so sehr ihren Worten, da war die Sprachbarriere dazwischen. Wir haben ihnen definitiv Abwechslung gebracht. Vielleicht haben wir den Englisch Level der Kinder geboostet, mit Sicherheit ihre Motivation Englisch zu lernen. Vielleicht erinnert sich irgendwann jemand an das, was wir wieder und wieder gesagt haben: wir sind hier, um mit euch zusammen etwas zu entwickeln, was für euch hilfreich ist, etwas, was ihr hier in Jalqamus haben wollt. Wir sind nicht hier, um euch dafür Geld zu geben, denn wir glauben, dass ihr hier selbst genug Ressourcen habt, um anzufangen. Ihr müsst nicht warten, dass jemand kommt und euch Geld gibt, ihr könnt selber beginnen.
Ich frage mich ernsthaft, ob das stimmt. Wieviele Ressourcen brauchen sie, um etwas zu starten? Wie klein kann man beginnen und wie groß muss die Motivation dafür sein? Was ist es, was sich die Leute hier wirklich wünschen? Frieden, das ist sicher. Und dann? Wie wollen sie, dass ihr Leben aussieht? Es hat nicht funktioniert, Träume in diese Richtung anzuregen. Oder vielleicht doch, von einer Hühnerfarm oder von Schafen zu träumen ist immerhin etwas.
Irgendwie ist es doch überall auf der Welt das gleiche. Man denkt, es geht einem schlecht (denn ja, die Leute hier beschweren sich darüber, dass sie arm sind und dass ihr Land okuppiert ist), aber den Sprung zu machen und erstmal zu überlegen, wo man denn hin will und sich dann zu überlegen, wie man dahin kommt, das ist ganz schön schwer. Und wenn man ganz bis zum Ende denkt, dann geht es einem oft gar nicht so schlecht, wie man am Anfang dachte, vielleicht einfach nur, weil man bewusster weiß, wo man steht und wohin man will.
Ein Projekt, das wir uns ausgedacht haben und für das wir viel Unterstützung erhalten, ist das Kochbuch. Wir machen ein Kochbuch mit Rezepten aus Jalqamus. Und Fotos von den fertigen Speisen, darum werden wir nun jeden Tag zum Essen eingeladen! Schade, dass wir die Idee nicht eher hatten, jetzt sind nur noch 2 Tage übrig. Wir kommen im Juni noch einmal für 4 Tage, die müssen wir also gut planen! Es könnte ein richtig gutes Buch werden. Im Juni wollen wir Prototyp 1.0 fertig haben.
Es klingt vielleicht resigniert, aber die Resignation liegt ganz auf meiner Seite. Wenn ich meine Ambitionen einfach mal beiseite lasse, dann habe ich hier wirklich eine tolle Zeit gehabt. Viele Leute getroffen, mit ihnen aufs Feld gegangen, in einem Monstertruck Gas ausgeliefert, Mädchen- und Jungenschulen besucht, Lieder vorgesungen bekommen, Spiegeleier zum Frühstück und Harira Suppe zum Ebendessen gekocht, mit meinen lieben Teamkollegen 24/7 das Leben geteilt, 6 Stunden vor einem geschlossenen Checkpoint gewartet, nur um dann entnervt zum nächsten, 50 km weit weg, zu fahren und problemlos durchgelassen zu werden, ein paar Brocken Arabisch gelernt, Olivenbäume und Mandelbäume erkennen gelernt, die frischsten und leckersten Tomaten der Welt gegessen, Enttäuschungen der Jalqamuser hinnehmen gelernt, wenn wir einer Einladung nicht folgen konnten, den Rekord im Mücken totschlagen gebrochen, einem Konzert mit arabischer Musik, performt von Holländern, Palestinensern und Israelis neben der Mauer gelauscht, die atemberaubende Schönheit dieser Felsen und Felder aufgenommen, den Frieden und die Stille in der warmen Nacht gespürt, laut über Pictionairy mit Achmed und Esme gelacht, mit 18 Frauen und 6 Kindern Fotos von Jalqamus und Tel Aviv angeschaut, mit eindeutiger Präferenz für die Jalqamus Bilder, Filmabende vor dem Beamer verbracht, mich über inkompetente Übersetzer geärgert und eine dicke fette Spinne aus meinem Rucksack krabbeln sehen.
Wann komme ich wieder her, und wen bringe ich mit?

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